Eine Rede zum Abschied

Zur Verabschiedung von Robby Höschele aus seiner Berufszeit am 26. Januar 2024 in Stuttgart-Vaihingen

Mein Name ist Eva-Maria Beller, ich bin Diakonin, Jugendreferentin und Sozialpädagogin und spielende Künstlerin. Mit dir Robby verbindet mich seit dreißig Jahren Begeisterung für schöpferisches Spiel und die gemeinsame Gestaltung des playing arts laboratoriums.

Du hast mich gebeten etwas über unsere gemeinsame Zeit zu sagen Robby, das tue ich gerne.

 

Lieber Robby,

Am Anfang haben wir eingepackt. Das klingt jetzt merkwürdig – aber so war es. Inspiriert von Christo haben wir mit Jugendlichen in Stetten am kalten Markt alles mögliche verpackt – und etwas später dann auch Teile dieses Gebäudes und bei der Einweihung dieses Hauses …

 

Das war bevor wir Bücher zersägt, verschraubt oder eingekocht haben,

… Und das war wiederum bevor ich Rot gesehen und du Blau gemacht hast,

das war bevor du der Rührmaschine in Gelnhausen den Bauchtanz beigebracht hast

… und das war bevor du unter der Dusche geschrieben hast und wir zugetextet und leergelesen haben, was uns in die Finger kam,

… und das war bevor wir mit den Laubbläsern 1000 Blätter über das Kopfsteinpflaster im Kloster Kirchberg gejagt haben

 

und – Autsch! - in Rot an der Rot haben wir die rote Karte bekommen,

das war bevor du mit den tapes angefangen hast

und das war bevor wir mit riesigen Styroporplatten Musik gemacht haben,

das war bevor wir fliegen gelernt haben – jedenfalls das Abheben,

… und das war bevor du in Kirchberg Flöte spielend über eine Wiese gehüpft bist,

das war bevor ich mit einer Kaffeemaschine im Duett gesungen habe,

das war bevor wir ein riesiges, raumfüllendes Mobilé geschaffen und in Bewegung versetzt haben – und es uns in Bewegung versetzte und wir hineintanzten …,

… und das war bevor du mit Wasser ein Gesicht auf heißen Asphalt gemalt hast, sodass es langsam verschwand….

 

Das sind starke Erinnerungen, was geschieht, wenn Menschen so ins Experimentieren und Erfinden kommen und die Grenzen ihrer Gewohnheiten kühn überschreiten … ? TollMut.

Ist Spiel im Sinne von playing arts ein Ausnahmezustand?

Ja und Nein.

Ja! Spiel braucht das Heraustreten aus den Routinen und zweckgebundenen Festlegungen des Alltags – Eintreten in sorgfältig gestaltete Ausnahmezustände.

Nein! Es ist nicht wirklich ein Ausnahmezustand, etwa ein Traum, der in den geschlossenen Räumen des Laboratoriums bleibt, auf der Insel, im zusammenhangslosen Abseits. Spiel hat nie nichts mit dem „sonstigen“ Leben zu tun. Spiel ereignet sich mitten im Leben. Es wirkt sich aus. Dieses Spiel hat nicht nur Nebenwirkungen, es hat Gültigkeit.

 

Selbstbildung

Es hat uns immer beeindruckt, wie gewiss und genau Spieler:innen die Regeln für ihr Spiel erfinden – differenziert, kritisch, tatkräftig, gewiss.

Wir haben Menschen gesehen, die existentielle Fragen und Ängste (etwa den Tod eines Angehörigen), ihre Sehnsucht nach Veränderung in ihrem Leben, gesellschaftliche, ökologische, politische Fragen im Spiel bearbeitet haben.

Spielen ist „Aufwachen zur Gegenwart“.

Wir haben Wandlung gesehen – Menschen haben gesungen, die von sich sagen, dass sie nicht singen können und andere haben getanzt, obwohl sie niemals tanzen …

 

Spiel ist ernst und heiter.

Eine tätige Haltung …

… fragende Handlung,

… handelndes Wünschen,

… auch hantierendes Beten …

… das mit dem Wasserportrait auf Asphalt war bevor du unter einem Goldregen gelegen hast beim Sommeratelier im September letzten Jahrs in Stuttgart – wir haben deinen Abschied kommen sehen und die Würdigung deiner Arbeit gefeiert, Robby.

 

Wenn wir zurückblicken gab es auch Hindernisse im Spielfluß – Ereignisse, die störten und uns heraus-forderten

 

1. Wieviel Zeit bleibt noch für Spiel?

Schweren Herzens mussten wir uns das Konzept des playing arts Laboratorium von einigen Facetten verabschieden und die Fortbildung von 6 auf 4 Module verkürzen. Jetzt war die Nachfrage wieder groß – wir schrieben Wartelisten - paradox: wenig Zeit und ein riesengroßer Hunger auf Spiel!

 

Und dann:

2. Wie soll man da spielen?

Corona - Wochenenden mit Abstand und Maske … und schließlich eine vollständige Verlagerung in virtuelle Räume. Wir haben uns entschieden nicht abzubrechen sondern so gut es ging in Verbindung zu bleiben. „connect“ entstand - wir trafen uns an den Bildschirmen, suchten neue Spielarten, wollten die drohende Vereinzelung überwinden – Zoom-Spielräume entstanden einfallsreich und kreativ und doch – wie waren wir froh, als wir uns wieder begegnen konnten – mit Haut und Haar und allen Sinnen.

 

Und später:

3. Kann ich jetzt noch spielen?

Ein starkes Beben hat der Angriffskrieg auf die Ukraine im letzten Laboratorium ausgelöst.

Wie können wir spielen, im Angesicht dieser Gewalt?

Wir haben uns entschieden genau das zur Sprache zu bringen. Zutexten und Leerlesen – Wortwerkstatt in diesen schweren Tagen. Wir haben uns an das drohende Verstummen herangespielt und neue Worte und neue Kraft gefunden.

Die Entdeckung von Spielraum im Sinne von „Spiel haben“ ist eine zutiefst resiliente Erfahrung. Spielraum ist ... immer. Die wichtigste Erkenntnis gegen Hilflosigkeit ist: es gibt Spielraum!

Spielraum, den wir auch jetzt wieder brauchen – Mut und Mündigkeit im entschiedenen Kampf für unsere Demokratie!

 

… 50 Goldblättchen mit sehr persönlichen Worten sind auf dich herabgeschwebt Robby – das war einer der vielen Abschiede, die du jetzt wahrscheinlich schon erlebt hast.

Ein besonders herzlicher, strahlender.

 

Es ist nicht zu ermessen, nicht mehr zu überblicken und schon gar nicht zu evaluieren, welche Dynamik und verändernde Kraft sich entfaltet hat.

Durch deinen entschiedenen Einsatz für schöpferisches Spiel.

 

…wie da die Goldblättchen auf dich herabsegeln sehen wir:

 

Das ist dein Lebenswerk

dein virtuoses Spiel mit Musik und Bewegung

… deine Leichtigkeit und Kompetenz im Umgang mit Medien

… deine unermüdliche Neugier auf Impulse aus den zeitgenössischen Künsten

… deine Begabung Lebendigkeit und Selbstbestimmung herzvorrufen und dann respektvoll zurückzutreten –

… “Dienstleister“ zu sein im besten Sinne

… deine Großzügigkeit

… dein Vorbild


Wir haben miteinander unzählige TagungsRäume geleert. Geleert und mit schöpferischer Atmosphäre gefüllt – zur freien Verfügung!...

Ich danke dir heute für die wunderbare, solidarische und inspirierende Zusammenarbeit.

Danke, dass du mich damals eingeladen hast mitzuwirken und wir uns, gemeinsam mit Sandra Adam, so vital, miteinander ringend, solidarisch, kämpferisch, witzig und anspruchsvoll für Spiel einsetzen konnten.

Lieber Robby - In diesen Tagen kannst du die Früchte deiner Arbeit sehen und so viel Resonanz erfahren ….

Fahr deine Ernte ein lieber Robby und mach Proviant daraus – „Pro-Via-nt“ – für deinen Weg - stärkend für alles Zukünftige.

Eat, pray, love and play!

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